Projekt


ATLAS’ WIRBEL | CONTAINER ist Teil einer Projekt-Serie, in der die LOSE COMBO die Möglichkeiten einer performativen Kartographie erforscht.

Die Karte ist offen, sie kann in all ihren Dimensionen verbunden, zerlegt und umgekehrt werden, man kann sie auf eine Wand zeichnen, als Kunstwerk konzipieren oder als politische Aktion oder Meditationsübung begreifen, schreiben Gilles Deleuze und Felix Guattari in Tausend Plateaus. Und natürlich kann sie auch eine Performance sein, die man in digitale Container verstaut. Oder eine Homepage, auf der man durch diese Container surft.

Nach zwei pandemiebedingten Verschiebungen hat die LOSE COMBO die Reinbeckhallen in Berlin-Oberschöneweide im April 2021 zu einem performativen Labor und Studio – einem spiralförmigen Spiegelkabinett – gestaltet, um die Materialien ihrer jüngsten Arbeit ATLAS’ WIRBEL zu sichten, zu erproben, aufzuzeichnen und anschließend in audiovisuellen CONTAINERN zu verstauen.

Gemeinsam mit dem Sonar Quartett ist die LOSE COMBO zahllosen mythologischen, literarischen, etymologischen, anatomischen, geographischen Verstrickungen nachgegangen, die sich in Atlas’ Namen begegnen: Himmelsträger, Halswirbel, Gebirge, gebundene kartographische Sonderform – aber auch Vulkane, Vögel, Skulpturen ...

Die auf dieser Homepage zugänglichen sieben Material-Sequenzen und Remixe akzentuieren verschiedene Aspekte der Projekt-Arbeit: Einblicke in Partitur- und Textmaterialien, Ausschnitte aus Videos und Tonbändern, (Proben von) Konzert- und Textperformances.

Kopfhörer empfohlen!

Material


Bildraum


Die (projizierten) Videos zeigen animierte Segmente einer schwarzweißen „Projekt-Karte“, auf der graphische Materialien des Arbeitsprozesses an ATLAS’ WIRBEL zusammen getragen sind, sowie Sequenzen einer 2-stündigen Videokarte von Kairo, die in einem Prozeß mehrfacher bildelektronischer Be- und Entschleunigungen entstanden ist und die kartographische Praxis geschichteter Ebenen mit multiplen Zeitmaßstäben verbindet.

Klangraum

Das 95-minütige Tonband – Stereomix einer 6-kanaligen Klanglandschaft – ist aus vielfachen klangelektronischen Transformationen von Geräuschen und Klängen des Mittelmeerraums entstanden: seismische Bewegungen in den italienischen Alpen, Unwetter im marokkanischen Atlas, Meeresrauschen auf Kreta, Verkehrs- und Mittelwellenrauschen auf Zypern, Alltag in mediterranen Metropolen ...

STRICH für Quartett

Die kartographische Komposition STRICH für Quartett basiert auf den graphischen Strukturen der Carta Pisana aus dem späten 13. Jahrhundert, die als die erste Portolankarte gilt.
Auf Pergament gezeichnet, zeigt diese Karte die Konturen des Mittelmeers und nennt die Häfen entlang seiner Küsten. Zudem erkennt man auf ihr zwei Kreise – die westliche und die östliche "Hemisphäre" des Mittelmeerraums – mit sogenannten Strichrosen darin.

Carta Pisana Pergament

Mithilfe dieser Strichrosen – eigentlich übereinander gelegte, in eine Vielzahl von Dreiecken unterteilte Quadrate, deren Ecken die Haupt- und Neben-Windrichtungen markieren – war es den Seefahrern im ausgehenden Mittelalter erstmals möglich, über das offene Meer zu navigieren. Sprich: sie brauchten nicht mehr auf Sicht entlang der Küsten zu fahren, um einen "sicheren Hafen" zu erreichen.

Auf der von der Carta Pisana adaptierten graphischen Struktur sind neben den Strichrosen und den kontinentalen und insularen Konturen des Mittelmeers alle Stellen mit einem Punkt markiert, an denen eine Dreieckslinie auf Land trifft.

Carta Pisana Struktur

Die durch die Hemisphären markierte Zweiteiligkeit der Karte behält STRICH für Quartett bei. Ein Teil der Komposition nutzt das graphische Material der westlichen, der andere das der östlichen Hemisphäre.
Beide Teile bestehen jeweils aus 32 Partiturblättern, die in vier unterschiedlichen Layouts vorliegen. Inmitten großer improvisatorischer Freiräume für die Musiker*innen akzentuieren diese Layouts – Notenlinien oder Rasterquadrate, mit oder ohne Dreiecksmarkierungen – unterschiedliche Realisierungsmöglichkeiten.

Insgesamt steht den Musiker*innen ein Pool aus 256 Partiturblättern zur Verfügung, von denen jedes einzelne die Dauer von einer Minute hat.

Team


Projekt


Konzept / Raum / Text / Klänge / Video Jörg Laue
Performance Claudia Splitt / Florian Feigl
Sonar Quartett Susanne Zapf (Violine), Wojciech Garbowski (Violine), Nikolaus Schlierf (Viola), Konstantin Manaev (Cello)
Künstlerische Mitarbeit Johanna Ackva / Nina DeLudemann
Technische Leitung / Lichttechnik Fabian Bleisch
Tontechnik Mattef Kuhlmey
Video- und Computertechnik Florian Fischer
Produktionsleitung M.i.C.A. – Movement In Contemporary Art, Raisa Kröger / Katharina Meyer
Presse / ÖA Fellow Publishing – Johannes Fellmann
Grafikdesign Carmen Klaucke

Container


Kamera Maximilian Hilsamer
Schnitt Jörg Laue
Sound Mattef Kuhlmey / Jörg Laue

Website


Gestaltung und Umsetzung Christopher Martin, CMCM Webdesign

Produktion


ATLAS' WIRBEL | CONTAINER ist eine Produktion der LOSE COMBO in Zusammenarbeit mit dem Sonar Quartett, gefördert durch die Senatsverwaltung für Kultur und Europa des Landes Berlin und die initiative neue musik berlin e.V., in Kooperation mit der Stiftung Reinbeckhallen.

Berlin - Senatsverwaltung für Kultur und Europa Initiative Neue Musik Berlin Stiftung Reinbeckhallen

Biographisches


LOSE COMBO


Seit 25 Jahren arbeitet Jörg Laue mit der LOSE COMBO in Berlin. In dieser Zeit sind in großer Kontinuität mehr als 40 Projekte entstanden – vor allem Performances und multimediale Musiktheaterprojekte, aber auch Klang- und Videoinstallationen, die immer wieder die Nähe der performativen Arbeit der LOSE COMBO zu den anderen Künsten zeigen.

www.lose-combo.de

Sonar Quartett


2006 gegründet, hat sich das Sonar Quartett mit seiner Konzentration auf die Musik des 21. Jahrhunderts in kürzester Zeit einen herausragenden Ruf in der Szene erobert. Mit einer Vielzahl von Uraufführungen und großer Improvisations- und Experimentierfreude bei genreüberschreitenden Projekten ist es aus der internationalen Festival-Szene für zeitgenössische Musik nicht mehr wegzudenken.

www.sonarquartett.de